Kurzfilmtage 2016: Von Männern, Hunden und Streichelmösen

Obwohl ich den Internationalen Wettbewerb der Kurzfilmtage in Oberhausen ausgiebiger besucht habe als jede andere Sektion, haben es daraus nur zwei Filme in die Liste meiner Favoriten geschafft:

© Virpi Suutari

© Virpi Suutari

Eleganssi – Von Männer* und Hunden

Sie habe einen Film über eine ernste Angelegenheit gemacht, leitete Virpi Suutari ihren Film Eleganssi bei den Internationalen Kurzfilmtagen in Oberhausen ein. Ein betont historienwissenschaftlicher Epilog und eine so gar nicht ernstzunehmende Musikuntermalung enttarnen diese Aussage jedoch gleich zu Beginn ihres Films als Ironie.

Suutari nimmt eine finnische Jagdgesellschaft unter die Lupe und zwar eine, die sich dem Erlegen von Vögeln widmet. Dabei konstruiert sie durch die soziohistorische Kontextualisierung und die Wahl ihrer Protagonisten eine klare Parallele zwischen dem portraitierten Jagd Club und der Geschäftswelt als zwei in sich geschlossene Männerwelten, in denen Geschlechtsidentität auf konservative Weise performiert wird und patriarchale Hierarchien den strukturellen Unterbau bilden.

So richtig männlich* wirken die Herren eigentlich nicht, wenn sie schweigend und ein wenig ziellos mit ihren Hunden durch die Felder spazieren. Da schmeißen sich keine durchtrainierten Macker in den Dreck und erlegen das Wild mit den bloßen Händen. Stattdessen schreiten gut gekleidete Herren gemächlich durch Wald und Wiesen und warten darauf, dass ihnen ein Vögelchen vor die Flinte fliegt.

Eleganssi könnte auch den Titel „Von Männern* und Hunden“ tragen, denn die Beziehung zwischen Mensch und Tier spielt in Suutaris Film eine wichtige Rolle. Während Frauen* nur als Figuren in klassischen Herrenwitzen auftauchen, sind die Hündinnen hochgeschätzte Jagdpartnerinnen. Die intime Mensch-Tier-Interaktion, die Virpi Suutari durch geradezu obzsön wirkende Close-Ups von Hundezungen und –schnauzen betont, erinnert an Jan Soldats Kurzfilm Geliebt. Irgendwie sind die feinen finnischen Herren von Soldats Normalo-Protagonisten mit ihrer nicht unbedingt konsensfähigen Hundeliebe gar nicht so weit entfernt.

Hierarchische Strukturen, die Weitergabe der großen Weisheiten vom Ältesten an die Jüngeren im Zusammenspiel mit einem rassischen Determinismus, charakterisieren den Jagd Club bei Suutari als patriarchale Gemeinschaft. Nicht jeder Mann* ist auch ein Jäger, er muss schon die richtigen Anlagen haben, so wie auch die dazu gehörigen Tiere stets prominente Eltern besitzen. Wenn einer der Protagonisten erklärt, ohne die richtigen Gene könne kein Hund zum Jagdbegleiter ausgebildet werden, schleicht sich das Gefühl ein, dass er hier nicht nur über Vierbeiner spricht.

Bis auf einen leichten, skandinavisch trockenen Humor, der sich vor allem durch den Kontrast zwischen dem Jagdthema und der Ruhe der Inszenierung sowie der Musikuntermalung ergibt, geht es Virpi Suutari nicht darum, ihre Protagonisten lächerlich zu machen. Es gibt keinen Kommentar der Bilder durch die Filmemacherin und auch die Aussagen der Protagonisten entspringen stets dem vertrauten Dialog untereinander, nicht aber einem Interview mit der Regisseurin. Das Ende, wenn die vier Herren* von ihrem weiß behandschuhten Butler im mondänen Speisezimmer die Beute serviert bekommen, wirkt dann aber doch wie eine Karikatur. Aber wer weiß: Manchmal ist das Leben auch eine Karikatur seiner selbst.

© Renata Gasiorowska

© Renata Gasiorowska

Cipka (Pussy) – Introducing: Die Streichelmöse

Mit einfachen Strichzeichnungen und einer großen Portion Humor erzählt Regisseurin Renata Gasiorowska von einer heimischen Masturbationsorgie. Ihre namenlose Hauptfigur macht es sich mit Joint und Kerzen in der Badewanne gemütlich, schaut sich danach ihre erregte Vulva im Spiegel an und ist dabei vollkommen für sich, lässt sich von nichts und niemandem stören. Doch dann passiert etwas Unerwartetes: Ihre Muschi macht sich selbstständig, läuft durch die Wohnung und reibt sich am Hausrat….

Cipka ist ein herrlich sexpositiver Film über die Schönheit der Vulva. Die Protagonistin streichelt ihr Geschlecht wie ein kleines Haustier – voll Liebe und Zärtlichkeit – und zeigt damit einen heilsamen Umgang mit diesem oft versteckten oder unsichtbaren Organ. Wenn die kleine, süße Muschi herumspaziert und verschiedene Sinneseindrücke erforscht, trifft dies auch eine Aussage über die Mannigfaltigkeit der Sexualität und regt zu eigenen Experimenten an – wenn auch der Kaktus vielleicht lieber ausgelassen werden sollte. Am Ende darf sich die kleine Möse dann in eine bissige Vagina Dendata verwandeln und einem Spanner das Fürchten lehren. Kurzum: Cipka sollte eigentlich in jedem Aufklärungsunterricht gezeigt werden.

Sophie Charlotte Rieger
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