Blockbuster Check: Spectre

Weil der Bechdel-Test zwar ziemlich cool ist, aber dennoch manchmal zu kurz greift, nehme ich im Blockbuster-Check Mainstream-Filme hinsichtlich einzelner Elemente kritisch unter die Lupe.

© Sony

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Ein feministischer Blick auf Spectre, einen James Bond Film, so werden viele argumentieren, könne ja nur skandalöse Ergebnisse liefern. Eine solche Analyse sei daher grundsätzlich sinnbefreit, lebt doch die Filmreihe von dem testosteronsprühenden, übermenschlichen Helden und seinen zahlreichen Bunnys, die ja nicht Umsonst „Bond-Girl“ heißen, also ausschließlich in Abhängigkeit von der männlichen Hauptfigur charakterisiert werden. Ich tue es trotzdem und sei es nur um zu zeigen, was viele schon wissen und doch ignorieren, nämlich dass wir auch – oder insbesondere – mit den James Bond Filmen immer wieder sexistische Geschlechterstereotypen rekonstituieren. Und das, meine lieben Leser_innen, muss im Jahr 2015 einfach nicht mehr sein… Wenn es denn überhaupt jemals sein musste.

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Held_innen

Der Held der Geschichte ist James Bond. Thema Ende. Heldinnen kann es im System der Bondfilme nicht geben, da 007 immer in großem Abstand zur nächst heldenhaften Figur stehen muss – wahnsinnig überlegen, außergewöhnlich potent. Mit der dieser Logik angemessen zarten Madeleine (Léa Seydoux) wird James Bond immerhin eine Frau an die Seite gestellt, die eine Pistole bedienen kann – freilich nicht, ohne dieses Faktum immens überzubetonen und damit seine Exzeptionalität zu markieren. Madeleine darf Bond tatsächlich ein einziges Mal retten, allerdings nur um im direkten Anschluss von ihm gerettet zu werden. Alles andere wäre freilich vollkommen unter seiner Würde. Für einen Sekundenbruchteil gehörte dieser Figur meine gesamte Sympathie, schien sie doch die Stärke zu besitzen, sich gegen den Mann aller Männer zu entscheiden. Wenig überraschend jedoch kehrt sie schließlich in Bonds Arme zurück, da wo die schöne Frauen hingehören. Und zwar alle.

Gegenspieler_innen

Abgesehen davon dass Spectre hinsichtlich seiner Bösewichte weit hinter anderen Bond-Filmen zurückbleibt, fehlt eine Gegenspielerin vollkommen. Die kurz als Gangsterbraut inszeniere Monica Belluci entpuppt sich als reines Opfer – kein Wunder, dass sie Bonds Charme weitaus schneller erliegt als Madeleine. Im Zirkel der Fieslinge, angeführt von Oberbösewicht Christoph Waltz, sitzt in einer Szene zwischen etwa 20 Männern eine ganze Frau, die sogar sprechen darf! Und dann für den Rest des Films spurlos verschwindet.

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Geschlechterrollen allgemein

Bereits die ersten Minuten von Spectre zeigen deutlich, wohin die Reise geht: Die Prä-Titelsequenz besitzt genau eine relevante Frauenfigur (siehe erster Foto oben), die jedoch ausschließlich als Bonds Accessoire dient und bis zum Ende der Szene keinen Namen bekommt. Woher sie kam, wohin sie ging, wird für immer ein Rätsel bleiben. Dieses offensichtliche Fehlen weiblicher Präsenz kann dann aber die Titelsequenz mit der Darstellung zahlreicher nackter Frauenkörper problemlos ausgleichen. Dabei greift die Bildsprache hier auf Motive des „Tentacle Porn“ zurück, vielleicht eine der sexistischsten Formen, die das Genre der erregenden Filmkunst hervorgebracht hat. Zugegeben: Auch James Bond ist hier nackt. Aber James Bond ist kein Sexobjekt. James Bond ist ein Sexsubjekt. Und das ist meilenweiter Unterscheid!

Die einzige Frau, der eine von Bond unabhängige Sexualität zugesprochen wird, ist Miss Moneypenny (Naomie Harris). Diese Figur sticht aus feministischer Sicht aus diversen Gründen positiv hervor: Sie unterstützt Bond, ohne in Abhängigkeit zu ihm zu geraten. Sie ist attraktiv und doch nicht sexualisiert. Sie ist schlau und stets auf der richtigen Seite des Gesetzes. Und: Sie ist schwarz. Und da schwarze Frauen proportional noch stärker unterrepräsentiert sind als Frauen im Allgemeinen, ist diese Casting-Entscheidung nach wie vor positiv zu betonen. Umso bedauerlicher, dass Miss Moneypenny kaum Screentime vergönnt ist.

Besonders auffällig an Spectre ist der Mangel an weiblichen Figuren im Hintergrund, in Versammlungsräumen, Laboren, Büroräumen – einfach überall. Wäre das Geschlechterverhältnis in der Realität so wie in Spectre dargestellt, würde die Menschheit ziemlich schnell aussterben. Dabei könnte es doch so einfach sein: Warum nicht ein weiblicher Bodyguard, eine fiese Handlangerin, eine Auftragsmörderin (die nicht mit Bond ins Bett geht), eine Hubschrauberpilotin, eine Wissenschaftlerin, eine Politikerin, eine Unternehmerin – Frauen können wirklich überall auftauchen! Es ist nicht so schwer wie es scheint!!!

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Dresscode und Sexappeal

Wie bereits erwähnt stellt Miss Moneypenny eine erfreuliche Ausnahme der übermäßig sexualisierten Bond-Girls dar, auch in Hinblick auf ihre Kleidung. Lucia Sciarra (Monica Belucci) aber trägt zur Beerdigung ihres Mannes unter der Trauerkluft Korsett und Strapse (machen wir doch alle, wenn jemand stirbt).

Am schwersten jedoch hat es Madeleine getroffen. Mit 10cm-Stilettos durch den Wüstensand – das übersteht nur ein Bondgirl ohne verstauchte Knöchel. Es ist Spectre jedoch nicht genug, seine „Heldin“ stets appetitlich zu verpacken, nein, die sexistische Logik muss schon etwas expliziter formuliert sein.

Als Madeleine im atemberaubenden Abendkleid bei ihrem Date mit Bond eintrifft, fallen diesem (wie dank der Inszenierung auch dem Kinopublikum) die Stieraugen raus. „You shouldn’t stare“, spricht die selbstbewusste Madeleine und fordert damit mit Recht Respekt für ihre Person ein. „Well, you shouldn’t look like that“ entgegnet Bond und formuliert damit eines der Lieblingsargumente des Patriarchats: „Wenn Frauen auf der Straße doof angemacht werden, liegt es sicher an ihrer aufreizenden Kleidung. Sollen sie sich halt anders anziehen.“ James Bond erlaubt damit seinem Publikum zu starren, zu objektifizieren, Madeleine als Sexobjekt abzuwerten und sie ihrer Persönlichkeit zu berauben. Das ist ok. Sie hätte sich eben nicht so anziehen sollen.

Final zur Anziehpuppe verkommt Madeleine, wenn sie beim Besuch in der Höhle des Löwen auf ihrem Zimmer ein Kleid vorfindet. Unnötig zu erwähnen, dass Herrn Bond keine angemessene Abendgarderobe zur Verfügung gestellt wird. Als Mann darf er selbst entscheiden, welche Klamotte er trägt. Viel erschreckender jedoch als die Tatsache, dass ein ohnehin schon moralisch fehlgeleiteter Bösewicht Frauen als frei gestaltbaren Augenschmaus begreift, ist Madeleines Reaktion. Sie zieht das Kleid an, zusammen mit den erwähnten Stilettos, und legitimiert damit den diskriminierenden Akt ihrer sexualisierten Ausstaffierung durch einen Mann.

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Dramaturgie

Jetzt wird es interessant. Frauen gibt es in Spectre zwar auffällig wenig, doch sie sind unheimlich wichtig für den Verlauf der Geschichte. Es ist die in Skyfall verstorbene M, die den Impuls für Bonds aktuelle Mission gegeben hat, es ist Madeleine, die beschützt und somit gefunden werden und am Ende, wie sollte es anders sein, gerettet werden muss. Das Bond-Girl als solches erweist sich hier klar als Mittel zum Zweck, genauer gesagt als Mittel zur Qual, denn die Drohung gegen die geliebte Frau ist stets eine emotionale Attacke auf den sonst so souveränen Helden. Der arme Bond verliert im Zuge seiner Karriere eine Frau nach der anderen. Diese Frauen jedoch sind noch viel ärmer, denn niemand interessiert sich für sie. Ihre Rolle besteht darin, hübsch auszusehen, den Held zu Heldentaten zu inspirieren und schließlich die Tragik seiner Person zu untermauern. Bond verliert die Frauen wie er seine Autos verliert: Sein Eigentum wird ihm genommen und rasch durch Neues ersetzt. Die Tragik besteht niemals im Tod der weiblichen Figur, sondern ausschließlich im Schmerz des Helden. Die Frau hat schlicht und einfach nicht den Status einer Person.

Botschaft

Eine schöne Frau zu besitzen ist noch ein bisschen geiler als ein schönes Auto. Deshalb tut es auch ein bisschen mehr weh, eine schöne Frau zu verlieren als ein schönes Auto.

Gesamtwertung: 2

on 0 (Sexistische Kackscheiße) bis 10 (Emanzipatorisch Wertvoll)

Sophie Charlotte Rieger
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