Beautiful Creatures – Das bessere Twilight?

Dass kitschige Teenie-Romanzen wie Twilight – Bis(s) zum Morgengrauen eher Mädchen als Jungen begeistern, überrascht nicht sonderlich. Die Tribute von Panem – The Hunger Games beispielsweise zieht ein eher ausgewogenes Publikum an, was wiederum höchstwahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass die Liebesgeschichte eine untergeordnete Rolle spielt. Das wirklich Bedauerliche an dieser Tatsache ist jedoch, dass ausgerechnet Twilight, das als Buch und Film Mädchen überall auf der Welt begeistert hat, einen sehr konservativen Umgang mit Geschlechterrollen pflegt und diese somit auch bewirbt. Aber statt immer nur zu kritisieren, wie es nicht sein sollte, möchte ich heut mal wieder einen Film vorstellen, der es besser macht. Auch Beautiful Creatures – Eine unsterbliche Liebe erzählt eine übersinnliche Liebesgeschichte für ein weibliches Publikum, ist dabei jedoch auch „emanzipatorisch wertvoll“.

Lovestory mit Action vs. Action mit Lovestory

Wollte man die Handlung aller Twilight-Romane und -Filme in einen Satz fassen, sähe das so aus: Ein Mädchen verliebt sich in einen Vampir. Eine Mini-Synopsis von Beautiful Creatures – Eine unsterbliche Liebe hingegen liest sich folgender Maßen: Eine junge Frau kämpft gegen einen uralten Fluch. Während also Twilight die Beziehungen der Hauptfigur, Kristen Stewart alias Bella Swan, in den Mittelpunkt stellt, orientiert sich die Dramaturgie von Beautiful Creatures an der Persönlichkeitsentwicklung der weiblichen Hauptfigur. Steht zunächst noch Ethan (Alden Ehrenreich) im Zentrum der Geschichte, der sein Herz an die neue Mitschülerin Lena (Alice Englert) verliert, richtet sich der Spannungsbogen fortan ausschließlich an eben jener mysteriösen jungen Frau aus. Ob die Hexe Lena einst zu den Guten oder den Bösen gehören wird, entscheidet sich an ihrem 16. Geburtstag. Doch ein uralter Fluch droht über Lenas Schicksal zu bestimmen.
Es ist dieses Ereignis, auf das der Film hinausläuft. Es geht nicht um die romantische Vereinigung der Figuren. Die Lovestory ist an dieser Stelle Beiwerk, eines von vielen Elementen, die Beautiful Creatures für ein junges Publikum interessant machen sollen. Die Spannung der Geschichte generiert sich nicht aus der Frage, ob Ethan und Lena ein Paar werden und bleiben, sondern ob es Lena gelingt, ihr Schicksal selbst zu bestimmen. Somit wird die Vereinigung mit einem Mann im Gegensatz zu Twilight nicht zum Primärziel der weiblichen Figur erklärt. Wo letztgenannter Film für Bella kein höheres Ziel als die Ehe mit dem romantisch überhöhten Helden kannte, spricht sich Beautiful Creatures – Eine unsterbliche Liebe für die Selbstbestimmung der heranwachsenden Heldin aus: Finde erst heraus, wer Du wirklich bist, und im erst im zweiten Schritt, wer wirklich zu Dir passt!

Leben für die Liebe vs. Liebe für das Leben

Über Kristen Stewart wird gerne gelästert. Ich persönlich glaube ja, dass wir unsere fehlende Sympathie für ihre Filmrolle auf die Schauspielerin projizieren. Denn mal ehrlich: Bella Swan ist ein Albtraum. Sie ist ungeschickt, lässt sich permanent rumschubsen, verfügt über keinerlei Selbstvertrauen oder Selbstwertgefühlt und gibt sowohl ihre berufliche Zukunft als auch die eigene Familie für die Vereinigung mit ihrem zwielichtigen männlichen Gegenüber auf. In dieser Vereinigung erfährt dann auch sie endlich Größe. Die vermeintliche Emanzipation Bellas im letzten Teil der Twilight-Saga ist im Grunde nichts anderes als die Belohnung und somit Rechtfertigung für eine komplette Selbstaufgabe.

Beautiful Creatures – Eine unsterbliche Liebe dreht dieses Rollenverhältnis um. Hier ist es die Frau, Lena Duchaness, die als Hexe übernatürliche Kräfte besitzt. Der junge Mann, der sein Herz an sie verliert, ist ihr demnach physisch unterlegen. Ethan ist zwar nicht ganz so ungeschickt wie Bella und in der sozialen Hackordnung seiner High School auch eher an der Spitze angesiedelt, doch insbesondere die Begegnungen mit Lenas Familie bringen Ethan immer wieder in unangenehme Situationen. Auch das leicht debile Lächeln verleiht der männlichen Figur eine ungewohnte Schwäche. Wenn sich hier jemand für die große Liebe aufgibt, dann ist es Ethan. Und es ist auch Ethan, der beschützt werden muss!

In Anbetracht dieser Rollenverteilung ist es kein Wunder, dass starke Frauen auch jenseits der Lovestory die Handlung von Beautiful Creatures dominieren. Von Jeremy Irons abgesehen, der als Lenas Onkel Macon auftritt, sind es weibliche Figuren, die die Geschichte vorantreiben: Emma Thompson und Emmy Rossum als böse Hexen, die Lena auf ihre Seite ziehen wollen, und Viola Davis als mütterliches Medium Amma, das Lena im Kampf gegen ihr verfluchtes Schicksal zur Seite steht, bestimmen den Lauf der Dinge. Frauen sind in Beautiful Creatures – Eine unsterbliche Liebe von auffälliger quantitativer und qualitativer Präsenz.

Beautiful Creatures als emanzipatorische Metapher

Auffällig emanzipatorisch wertvoll ist in erster Linie das Thema von Beautiful Creatures – Eine unsterbliche Liebe. Wie zuvor schon erwähnt, steht im Zentrum der Geschichte nicht der Kampf um einen Mann, sondern der Kampf um Selbstbestimmung. Während männliche Hexen, oder “Caster”, wie sie hier genannt werden, an ihrem 16. Geburtstag zwischen der guten und bösen Seite der Macht wählen können, wird den Mädchen diese Entscheidung abgenommen. Im Transformationsprozess bleiben sie passiv. Sie haben keinerlei Einfluss auf ihr eigenes Schicksal. Im Fall von Hauptfigur Lena wird diese Fremdbestimmung durch einen Fluch verstärkt. Statt sich diesem Schicksal zu ergeben, beginnt Lena jedoch zu kämpfen. Sie will sich nicht damit abfinden, dass ihr Lebensweg und ihre Position in der Gesellschaft vordefiniert sind. Sie möchte selbst bestimmen dürfen, welcher Mensch sie sein will. Nicht nur, dass sie hiermit eine Agenda verfolgt, die von ihren amourösen Interessen unabhängig ist, sie erhält damit auch einen eindeutigen emanzipatorischen Auftrag: In einer Welt, die Männer bevorzugt und Frauen in die Position passiver Opfer des eigenen Schicksals drängt, stellt sie sich den vermeintlichen Gesetzen entgegen.

Trotz der starken Frauenfigur und der feministischen Agenda, bleibt Beautiful Creatures – Eine unsterbliche Liebe eine Liebesgeschichte. Diese verkompliziert sich jedoch – wie auch im wahren Leben – durch die Selbstverwirklichung der beiden Parteien. Wo sich in Twilight wie selbstverständlich die Frau für den Lebensentwurf des Mannes aufgibt, also zum Vampir wird, kommt es in Beautiful Creatures zum Konflikt. Dass dieser letztlich doch zu Gunsten der Liebe gelöst wird, ist vielleicht der größte Wermutstropfen des Films. Nichtsdestotrotz gibt es statt des endlos romantisierten Happy Ends, der perfekten Liebe zwischen den perfekten Wesen, immerhin ein relativ offenes Ende. Die erfüllte heteronorme Zweierbeziehung ist nur eine der möglichen Optionen, wie diese Geschichte ausgehen kann.

Jetzt bliebe nur noch die Frage zu klären, warum Beautiful Creatures – Eine unsterbliche Liebe deutlich weniger Anhänger:innen gewinnen konnte als die Twilight-Saga. Aber die nur scheinbar unerklärliche Anziehungskraft rückwärtsgewandter Geschlechterbilder hebe ich mir für ein anderes Mal auf

Sophie Charlotte Rieger
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