Alles was wir wollen – Ein Interview mit Beatrice Möller

Während der Vorbereitung auf das Achtung Berlin Festival 2013 hatte ich die Gelegenheit den Film Alles was wir wollen von Beatrice Möller schon vor der Premiere zu sichten. In ihrem Dokumentarfilm begleitet die Filmemacherin drei Frauen Mitte 30, die sich in den multiplen Möglichkeiten der eigenen Lebensgestaltung verlieren. Kinder – ja oder nein? Freiberuflich arbeiten oder doch lieber die sichere Variante? Und sollte ich nicht eigentlich schon längst Mann und Kind und im Idealfall auch noch ein Reihenhaus haben?

Genau, dachte ich mir. Es war, als hätte da jemand einen Film über genau die Themen gemacht, die mich selber gerade beschäftigen. Und so beschloss ich, mich mit Beatrice zu einem Interview zu treffen und mehr über dieses Filmprojekt zu erfahren.

© Beatrice Möller

© Beatrice Möller

filmosophie: Wie bist Du zu dem Thema Deines Films gekommen?

Beatrice: Weil ich selbst Teil davon bin. Ich war 28, mit dem Studium fertig, bin nach Berlin gekommen und hab ein Praktikum gemacht, was mir überhaupt nicht gefallen hat. Ich war in einer Beziehung, in der ich mir sehr unsicher war und auf allen Ebenen hat es eigentlich gewackelt. Und ich habe mich dann gefragt: Ist das normal? Ist das bei den anderen auch so? Und dann habe ich angefangen, erst meine Freunde zu drehen und dann später auch Leute außerhalb meines Freundeskreises. So fing das Ganze an.

filmosophie: Wie hast Du die drei Protagonistinnen ausgewählt?

Beatrice: Mit Mona habe ich an meinem Abschlussfilm gearbeitet.Wir sind seit dem im Kontakt und im Gespräch geblieben. Mit Claudia habe ich studiert. Maria- Sarah ist im Laufe des Prozesses dazu gekommen, nach dem eine andere Freundin nicht mehr weiter drehen wollte. So was kommt im Dokumentarfilm auch immer mal vor.

© Beatrice Möller

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filmosophie: Warum ausgerechnet diese drei Frauen? Sie haben ja alle einen ähnlichen Bildungshintergrund, ähnliche Ausgangspositionen. War das Absicht?

Beatrice: Es ist schon so, dass die Frauen auch alle was mit mir zu tun haben. Und dass es natürlich kein Film über eine ganze Generation ist, sondern ein Film über einen Ausschnitt von Frauen. Es war nicht das Ziel, und das will ich mir auch gar nicht anmaßen, einen Film über eine ganze Generation zu machen. Außerdem finde ich, dass die Frauen von den Hintergründen her gar nicht so ähnlich sind. Vielleicht sind die Fragen die wir stellen am Ende alle gleich. Eine von ihnen, Mona, hat beispielsweise Migrationshintergrund. Sie ist in Palästina aufgewachsen, hat also noch diesen ganzen muslimischen Rückbau. Claudia ist im Osten aufgewachsen und Marie-Sarah im Westen. Also sind die Hintergründe der Frauen sehr unterschiedlich, aber mein Fokus liegt nicht darauf.

filmosophie: Die Frauen wirken alle extrem natürlich vor der Kamera. Wie hast Du das gemacht?

Beatrice: Das gehört zu meiner Arbeit als Dokumentarfilmerin. Die Leute aufzuschließen, ihnen näher zu kommen und ihnen möglichst ehrlich mitzuteilen, dass es nicht darum geht, sich zu verstellen. Es liegt bestimmt auch daran, dass wir uns länger kennen.

filmosophie: Wie viele Leute sind denn da so mit im Raum? Kamera, Ton und Du?

Beatrice: Wir haben kleinere Teams gehabt. Teilweise habe ich auch alleine gedreht.

filmosophie: Das macht schon etwas aus, glaube ich.

Beatrice: Auf jeden Fall. Und es ist auch wichtig zu sagen, dass es mir nicht darum ging, deren Geschichten rauszukitzeln. Es ging mir um einen Austausch. Es ist ja auch meine Frage und ich bin Teil dieser Generation. Es ging mir um ein Gespräch, weniger um ein Interview.

© Beatrice Möller

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filmosophie: Trotzdem hast Du Dich selbst nicht zur Protagonistin gemacht. Warum hast Du das so entschieden?

Beatrice: Das war am Anfang noch die Idee. Da habe ich mich auch noch selbst gefilmt. Und ich habe auch ein Interview mit meiner Mutter gemacht. Das lief alles parallel. Im Schnitt ist das allerdings alles rausgefallen. Aber ich glaube, dass ich als Filmemacherin dennoch stark zu spüren bin.

filmosophie: Mir ist aufgefallen, dass Männer in Deinem Film auffällig abwesend sind. Auch die Beziehungen der Frauen spielen zu Beginn kaum eine Rolle. War das Zufall oder wolltest Du gezielt einen Film nur über Frauen machen?

Beatrice: Es ging mir vor allem um den Blickwinkel von und auf Frauen. Und es gibt schon zwei Filme zu diesem Thema von zwei Männern. Das ist einmal Mein halbes Leben und Wir sind schon mittendrin. Beide sehr schön. Aber ich habe so das Gefühl, dass bei Frauen ein paar andere Punkte doch sehr viel stärker sind. So etwas wie eine biologische Uhr. Auch die Mutter-Tochter-Beziehung ist ein sehr spezielles Thema, über das man auch noch drei Filme machen könnte.

filmosophie: Hattest Du vor dem Dreh irgendeinen Plan? Oder lief das nach dem Motto: Ich dreh jetzt mal los und schau mal was passiert?

Beatrice: Ja klar. Am Anfang konnte ich natürlich nicht absehen, dass all diese Dinge passieren werden. Wir haben einfach angefangen. Aber geschnitten ist es natürlich bewusst so, dass bei jedem eine Entwicklung deutlich wird. Aber als ich angefangen habe zu drehen, war mein Ansatz, die Frauen einfach eine Zeit lang zu begleiten. Die Frage war: Was ergibt sich? Wofür oder wogegen entscheiden wir uns in den nächsten vier Jahren um die 30?

filmosophie: Wie bist Du überhaupt zu dem Beruf Dokumentarfilmerin gekommen?

Beatrice: Ich hab an der Bauhaus Uni studiert und war eigentlich eingeschrieben für Grafik Design, habe aber relativ schnell festgestellt, dass ich sehr unzufrieden damit bin, immer am Computer zu sitzen und Pixel durch die Gegend zu schieben. Ich habe gemerkt, dass ich viel mehr den Austausch mit der Welt um mich herum brauche oder auch Themen, die mich interessieren. Dass ich in Südafrika aufgewachsen bin, spielt hier auch eine Rolle. Auch da ist ein großer Teil meiner Geschichte und zudem finde ich dort Geschichten, die ich erzählen möchte. Mir gefällt auch der Prozess des Filmemachens. Das ist eine große Reise, die mir sehr viel Spaß macht. Auch wenn es schon ein sehr harter Beruf ist. Aber ich bin dankbar für das, was ich im Austausch bekomme.

filmosophie: Würdest Du sagen… Wie kann ich die Frage jetzt nur so formulieren, dass sie nicht suggestiv ist… Ich glaub ich schaff’s nicht. Würdest Du sagen, dass der Weg zum Film für Frauen schwieriger ist als für Männer?

Beatrice: Ich bin im Dokumentarfilm gar nicht so sicher, ob es da wirklich so wenige Frauen gibt.

© Beatrice Möller

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filmosophie: Und so Deine persönliche Meinung? Das ist jetzt auch mal die Gelegenheit Vorurteile zu widerlegen: Es ist gar nicht schwieriger für Frauen Regisseurin zu werden. Oder eben doch.

Beatrice: Also das kann ich jetzt nicht bestätigen. Es ist jetzt nicht so, dass jemand eine Förderung nicht bekommt, weil sie eine Frau ist. Es ist nicht so, dass es Männer leichter haben. Das hoffe ich zumindest nicht. Ich denke, grundsätzlich muss man sich einfach entscheiden, ob man dieses Leben will, das eben nicht so sicher ist wie eine Festanstellung. Aber das gilt ja für alle freien Berufe. Das ist jetzt nicht für Frauen oder Männer leichter.

filmosophie: Glaubst Du, Männer und Frauen haben in der Altersphase letztendlich dieselben Probleme?

Beatrice: Es gibt vielleicht andere Schwerpunkte, aber das Familienthema gibt es bei den Männern auch. Die Männer, die den Film gesehen haben, meinten: Das waren zwar Frauen, aber das betrifft uns genauso. Ich sehe mich nicht als feministische Vorreiterin und Alles was wir wollen ist für mich auch kein feministischer Film.

In diesem Moment klingelt das Telefon. Die nächste Interviewanfrage.

filmosophie: Es ist gerade viel los, oder?!

Beatrice: Ja, es ist großartig. Wie eine Welle scheint mein Film auf viele, offene Ohren zu stoßen. Der Film wurde auch über Crowdfunding finanziert und nun vertreibe ich ihn selbst. Ich versuche andere, unkonventionelle Wege zu finden und arbeite z.B. mit den Gleichstellungsbeauftragten in ganz Deutschland zusammen.

filmosophie: Hast Du schon Ideen für ein nächstes Projekt?

Beatrice: Das nächste Großprojekt ist, diesen Film zu vertreiben und persönlich zu betreuen. Und dann sind verschiedene dokumentarische Projekte in der Mache, über die ich aber noch nicht sprechen kann. Ich würde auch unheimlich gerne wieder in Südafrika arbeiten.

filmosophie: Und zu guter Letzt die Filmosophen-Frage: Vier Filme, die Du Dir immer wieder angucken kannst.

BeatriceHarry und Sally kann ich mir immer wieder angucken. Und natürlich Jenseits von Afrika. Zwei Dokumentarfilme, die mich begeistert haben, sind Searching for Sugarman und Die Frau mit den 5 Elefanten von Vadim Jendreyko.

Liebe Bea, ich danke Dir für dieses ausführliche Interview und wünsche Dir für Alles was wir wollen und die nächsten Projekte alles Gute! Ich freue mich schon jetzt auf Deinen nächsten Film!

Sophie Charlotte Rieger
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