Zoomania – Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher…

„Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher als die anderen.“ So sahen es noch die Bewohner_innen der Farm der Tiere bei George Orwell. In Disney’s Zoomania aber sind alle Tiere offiziell gleichberechtigt – egal, wie groß oder wie klein, ob Fleisch- oder Pflanzenfresser_innen, jede_r darf alles sein. Aber stimmt das wirklich?

Wie auch in unserer Menschenwelt bedeutet die gesetzlich geregelte Gleichstellung aller Geschlechter und Ethnien noch lange nicht, dass jede_r dieselben Chancen hat, das eigene Leben frei zu gestalten. Die kleine Häsin Judy beispielsweise wird für ihren Traum, Polizistin zu werden, von ihrem Umfeld nur müde belächelt. Es gibt doch gar keine Hasen in der Polizei, sagen die anderen. Daraus kann Judy nur eines folgern: „Dann bin ich halt die erste!“

© Disney

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Damit ist Judy eine der emanzipiertesten Heldinnen, die Disney jemals hervorgebracht hat. Sie ist ehrgeizig und fest entschlossen, ihre Träume Realität werden zu lassen. Die Polizeischule schließt sie mit Auszeichnung ab und statt auf einen Prinzen zu warten, möchte sie die Welt verbessern.

Auf den ersten Blick wirkt Zoomania also herrlich emanzipatorisch wertvoll. Der Film zeigt eine Welt, in der alle Wesen gleich sind und nicht auf Grund vermeintlich biologischer Attribute diskriminiert werden. Der zentrale Konflikt der Geschichte kritisiert Schubladendenken: Immer mehr Fleischfresser_innen verfallen in alte, „unzivilisierte“ Verhaltensmuster und stellen eine Bedrohung für den Weltfrieden dar. Die Bedrohung, der sich die Tiere hierdurch ausgesetzt sehen, schlägt in Windeseile in „rassistische“ Diskriminierung um. Damit zeigt Zoomania sehr eindrücklich, wie das Schüren von Ängsten zu einem politischen Werkzeug werden kann und ruft zum Hinterfragen der eigenen Vorurteile auf. Insbesondere in einer Zeit, in der hier in Deutschland Geflüchteten pauschal Misogynie und sexuelle Gewalt unterstellt wird, sind generationenübergreifenden Gedankenanstöße wie dieser von immenser Bedeutung.

Aber ganz so vorbildlich, wie es zunächst scheint, ist Zoomania dann doch nicht. Wie so oft täuscht die starke Frauen*figur über eine Marginalisierung der weiblichen* Spezies hinweg: Nahezu alle Tiere, auf die Judy im Zuge ihrer Ermittlungen trifft, sind männlich* – Zeugen wie Täter. Bis auf die Assistentin des Bürgermeisters, das Schaf Bellwether, bleiben die weiblichen* Figuren zudem sehr eindimensional und stereotyp.

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Während Zoomania die wenig subtile Pädagogikkeule gegen „rassistische“ Diskriminierung schwingt, kopiert der Film sexistische Strukturen unserer Realität weitgehend kritiklos. So ist die Sängerin Gazelle (im Original gesprochen bzw. gesungen von Shakira) eine stark sexualisierte Figur, mit glitzerndem Bikini, freizügig präsentierter Wespentaille und mondrundem Hinterteil. Auch an Judy geht die Sexualisierung weiblicher* Figuren nicht vorbei: Ihre Arbeitskleidung ist im Gegensatz zu ihren Kolleg_innen auffällig körperbetont und auch ihre Körperform entspricht einem menschlichen Weiblichkeits*ideal.

Und dann wäre da noch die durchaus kritische Konnotation von Judys Tierrasse: Häschen – im englischen Bunny – ist im heutigen Sprachgebrauch eine eindeutig sexistische Bezeichnung für Frauen*, die ihren Ursprung nicht zuletzt in der Nacktmodel-Kultur des Playboys hat. Mit dem Bunny assoziieren wir eine primär durch physische Vorzüge charakterisierte Frau*, die alleinig der (visuellen) Befriedigung des Mannes* dient, der wir eine eigene Agenda ebenso absprechen wie Intelligenz und beruflichen Ehrgeiz. Es ließe sich natürlich argumentieren, dass der Film durch seine Hauptfigur mit eben jenem Stereotyp bricht. Zugleich aber ist Judy eben nicht einfach nur ein niedliches Tier – sie ist vor allem ein Häschen, nämlich eine Figur, an deren Anblick wir uns ergötzen. Dass für die Heldin ausgerechnet dieses niedliche Tier gewählt wurde, während ihr verschlagener Sidekick von einem Fuchs verkörpert wird, ist ein Rückgriff auf sexistische Stereotypen unserer Populärkultur, der durch den Film nicht reflektiert wird. Und so hat George Orwell am Ende doch wieder recht: „Alle Tiere sind gleich. Aber manche sind gleicher als die anderen.“

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Gerne würde ich Zoomania ausschließlich positiv beschreiben, denn seit langem habe ich mich im Kino nicht mehr so unterhalten gefühlt, wie in diesem Disney-Streifen. Die Lachtränen rollten in Bächen und allein beim Anblick der Hauptfigur wurde mir warm ums Herz. Doch sehe ich mich als feministische Filmkritikerin in der Verantwortung, über dieses subjektive Erleben hinauszugehen, so dass ich Zoomania trotz aller Begeisterung das Prädikat „emanzipatorisch wertvoll“ leider nicht verleihen kann.

Kinostart: 3. März 2016

Sophie Charlotte Rieger
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