Gut gebrüllt: Wo die freien Frauen wohnen

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© Daniela Parr, Uschi Madeisky und Dagmar Margotsdotter-Fricke

Wo die freien Frauen wohnen ist ein Werk der drei Filmemacherinnen Daniela Parr, Uschi Madeisky und Dagmar Margotsdotter-Fricke, die sich gemeinsam einem ganz besonderen Thema verschrieben haben: dem Matriarchat. In ihren Filmprojekten und dem Verein MatriaVal e.V. widmen sie sich verschiedenen von Frauen organisierten Gesellschaften. Das ist mehr als Grund genug, sie für meine Reihe GUT GEBRÜLLT zu ihrem neuen Film zu interviewen.

Wer sind die „freien Frauen“, um die es in eurem Film geht?

Daniela Parr: In unserem Film geht es um das Volk der Mosuo, die im Süden von China, rund um den Lugu-See leben. Dieses Volk ist bekannt für sein harmonisches Zusammenleben. Es gibt dort keine Eifersucht, keine Gewalt und keinen Krieg. Gegensätze wie „arm“ und „reich“ kennen sie nicht. Auch Machtstreben ist ihnen fremd. Die Mosuo gelten daher als sehr zufriedene und glückliche Menschen. Die Mosuo-Frauen sind als besonders entspannt, frei und selbstbestimmt bekannt. In dieser Gesellschaft sind es die Frauen, die die wirtschaftlichen und sozialen Fäden in der Hand halten.

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© Daniela Parr, Uschi Madeisky und Dagmar Margotsdotter-Fricke

Und was ist mit den Männern?

Daniela Parr: Die Mosuo bleiben mit ihrer Ursprungsfamilie immer innig verbunden. Sie kennen keine Ehe. Der Liebhaber bleibt nur über Nacht und lebt und arbeitet tagsüber in seinem Mutterclan. Die Frau lädt zu diesem Verhältnis ein. Das hat den Mosuofrauen im gesamten China den Ruf eingebracht, sie seien leicht zu haben. Der innerchinesische Tourismus nahm aus diesem Grund zu. Der Film geht der Frage nach, wie die Mosuo den Tourismus und ihre matriarchale Tradition vereinbaren.

Wie seid ihr auf die Mosuo als Thema für euren Film aufmerksam geworden?

Uschi Madeisky: Wir drei interessieren uns seit vielen, vielen Jahren für matriarchale Gesellschaften auf der ganzen Welt. Wir haben schon viele Filme in anderen Matriarchaten gemacht – zum Beispiel bei den matriarchalen Khasi im Nordosten Indiens oder bei den Palauer_innen in der Südsee. Wir finden kein Zusammenleben so spannend, so erzählenswert wie das in den Matriarchaten.

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© Daniela Parr, Uschi Madeisky und Dagmar Margotsdotter-Fricke

Wie viel Zeit habt ihr bei/mit den Mosuo verbracht?

Dagmar Margotsdotter: Seit 2012 sind wir immer wieder zu den Mosuo gefahren. Vor Ort haben wir über mehreren Wochen gedreht, immer wieder über längere Zeiträume.

Wie ist es euch gelungen, die mitunter sehr intimen Momente einzufangen?

Daniela Parr: Auf einem unserer Matriarchatskongresse haben wir eine chinesische Übersetzerin kennengelernt. Sie hat Kontakte zu den Mosuo und hat uns vor Ort vorgestellt und empfohlen. Ohne diesen Kontakt wäre uns diese Reise nicht möglich gewesen. Es ist uns sehr wichtig, bevor wir drehen, ein Vertrauensverhältnis herzustellen.

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© Daniela Parr, Uschi Madeisky und Dagmar Margotsdotter-Fricke

Haben die Mosuo eine Vorstellung davon, was bei uns „Feminismus“ ist? Und falls ja, welche Bedeutung hat dieser Terminus für sie?

Dagmar Margotsdotter: Die Gesellschaft der Mosuo ist eine absolut egalitäre Gesellschaft. Einen Geschlechterkampf kennen sie nicht. Der Alltag ist lange nicht so sexualisiert und erotisch aufgeladen wie bei uns. Feminismus ist bei den Mosuo einfach nicht nötig.

Euer Film ist sehr beschreibend und verzichtet darauf, die Zusammenhänge zwischen Matriarchat und anderen Merkmalen dieser Gesellschaft – wie das Gemeinschaftsgefühl oder auch die geringe Bedeutung materieller Werte – zu analysieren oder mit unserer Gesellschaft zu vergleichen. Warum habt ihr euch für diese Herangehensweise entschieden?

Uschi Madeisky: Wir nennen die Mosuo gerne das „Vorzeige-Matriarchat“, da bei ihnen viele der typischen Merkmale für ein Matriarchat vorhanden sind. Unser Film zeigt sinnlich und eben nicht analytisch, was das Volk der Mosuo ausmacht und wie die Menschen dort miteinander leben und umgehen. Der Vergleich findet automatisch im Kopf der Zuschauer_innen statt. Das können wir bei unseren Filmvorführungen in der Fragerunde danach immer wieder feststellen.

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© Daniela Parr, Uschi Madeisky & Dagmar Margotsdotter-Fricke

Am Ende erwähnt ihr noch viele weitere matriarchale Gesellschaften. Ich war überrascht, wie viele es gibt. Was meint ihr, warum wissen wir so wenig darüber?

Daniela Parr: Ein tatsächlich existierendes Matriarchat stellt eine Bedrohung für unsere männerzentrierte, auf Ausbeutung und Anhäufung von Kapital und Gütern basierende Gesellschaft dar. Da es diese Gesellschaften wirklich gibt, müssten sie ein Alternativmodell für uns sein. Es bestünde daher in unserer Gesellschaft Handlungsbedarf in Richtung eines besseren Zusammenlebens. Viele haben genau davor Angst, da sie dann ihre Privilegien verlieren. Daher ist es besser, in den Medien darüber Stillschweigen zu bewahren.

Was können wir von den Mosuo lernen? Was sollten wir uns abgucken?

Dagmar Margotsdotter: Die Lebenswelt der Mosuo richtet sich nach den Frauen. Für das langfristige Überleben der Menschheit ist dies die einzige Alternative. Frauen gebären und ziehen die Kinder groß. Sie verdienen unseren Schutz und größtmögliche Freiheit. Es gibt so viele Dinge, die bei den Mosuo auf wundervolle Art geregelt sind.

Wie geht es mit dem Film weiter? Wo oder wie können wir ihn sehen? 

Uschi Madeisky: Unser Film ist sehr vielschichtig und schneidet sehr viele Themen an, die sehr ungewöhnlich sind, da kommen wir mit unserem Bewusstsein hier kaum mit. Daher reisen wir nur zusammen mit dem Film durch den deutschsprachigen Raum. Überall dort, wo sich genügend Frauen zusammenfinden, um eine Filmvorführung zu organisieren, reisen wir hin, zeigen den Film und stehen für eine Gesprächsrunde bereit. So kann der Film bestmöglich aufgenommen und verstanden werden.

Wie kann man zu euch Kontakt aufnehmen? Habt ihr eine Webseite?

Dagmar Margotsdotter: Unser Verein, der sich mit Matriarchaten weltweit beschäftigt, ist zu finden unter www.matriaval.de. Der Film kann unter www.tomult.de bestellt werden.

DVD bei fembooks.de

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Sophie Charlotte Rieger
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