A Royal Night – Peinliche Party Putziger Prinzessinnen

Das mit den Bio-Pics britischer Adelsdamen hat ja in der letzten Zeit nicht sonderlich gut geklappt. Denken wir nur einmal (mit Schrecken) an die als filmische Biographie getarnte Kitsch-Romanze Diana. Vor diesem Hintergrund war es von mir vermutlich naiv zu erwarten, A Royal Night werde der Königin von England den gebührenden Respekt entgegen bringen.

Angeblich basiert diese sowohl märchen- wie auch mädchenhaft beschwingte Geschichte auf einer wahren Begebenheit. Liest man das Pressematerial etwas genauer, beschränkt sich der Wahrheitsgehalt jedoch darauf, dass die damalige Noch-Prinzessin Elizabeth (Emily Watson) und ihre Schwester Margaret (Bel Powley) zur Feier des Kriegsendes den Palast verließen, um im Ritz das Tanzbein zu schwingen. Alles andere – also 99% der Filmhandlung – ist frei erfunden.

© Concorde

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Nun gut, künstlerische Freiheit wollen wir ja niemandem absprechen, auch wenn es mich ganz persönlich befremdet, wenn ich real existierende Personen in völlig frei fantasierten Plots zuschaue. Welche Zuschauer_innen sind wohl in der Lage, hier eine angemessene Grenze zwischen tatsächlichen und fiktiven Charakteren und Ereignissen zu ziehen? Doch wo auch immer die Linie zwischen Wahrheit und Lüge sein mag, eines steht fest: A Royal Night hat mit einem Bio-Pic so wenig zu tun wie Berlin Tag und Nacht mit einer Fernsehserie.

Weil die quirlige Margaret sich unbedingt unter das feierwütige Volk mischen möchte, verlieren sich die beiden Schwestern im Gewühl und es beginnt eine Odyssee der älteren Elizabeth auf der Suche nach der jüngeren. Weil frau so ein Abenteuer nicht alleine bestreiten kann, wird ihr mit Jack (Jack Reynor) ein Held der Marke „überlebensgroß“ an die Seite gestellt, der sie aus jeder Notlage befreien kann und ihr stets den richtigen Weg weist. Wie praktisch! Während Jack also vor jedem noch so schnellen Kontrahenten davonlaufen und mit den bloßen Fäusten aufdringliche Widersacher niederstrecken kann, ohne dabei jemals seinen jungenhaften Charme und Sexappeal einzubüßen, sind Elizabeths Sternstunden maximal als niedlich zu bezeichnen. Der stark komödiantische Charakter der Inszenierung tut ihr Übriges, um den Respekt für die weiblichen Hauptfiguren möglichst tief anzusetzen.

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Wenig beeindruckend ist die zukünftige Königin auch wegen der stereotypen Konstruktion der beiden Schwestern: die Jüngere voll naivem und überdrehtem Mädchencharme, die andere streng und in ihrer Offiziersuniform auch durchaus burschikos. Während es der unbedarften Margaret sogar gelingt, den Puff vor lauter Nutten nicht zu sehen, ist die besonnene Elizabeth schon jetzt voller Verantwortungsgefühl: nicht für die Schwester, sondern auch für den Vater und irgendwie auch für die gesamte Nation. Die Rechnung ist also mal wieder einfach: Es gibt Mädchen-Mädchen, die zwar dumm, aber dafür fröhlich, hübsch angezogen und vernügungswillig sind, und es gibt Jungen-Mädchen, die klug und rational, dafür aber streng, verschlossen und „ungeil“ sind.

Dabei ist es eben jenes Verantwortungsgefühl Elizabeths, das unser Interesse für die Figur weckt. Welcher Mensch steckt hinter diesem engelsgleichen und doch furchtbar strengen Gesicht? Was bewegt sie im Innersten? Wovon träumt sie und was fürchtet sie?

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Bedauerlicher Weise bekommen wir auf all diese Fragen keine Antwort. Stattdessen beobachten wir die putzigen Prinzessinnen bei ihren chaotischen Abenteuern im nächtlichen London sowie die immens vorhersehbare Love Story, deren tragische Vergeblichkeit ebenso vernachlässigt wird wie alle anderen moralischen Konflikte der Heldin.

Ich komme an dieser Stelle nicht umhin mich zu fragen, ob das Leben berühmter Frauen tatsächlich so langweilig ist, dass ihre Geschichten durch oberflächliche Genres wie das der Romanze oder Komödie stets unterhaltsamer gestaltet werden müssen. Warum sollen wir hier andauernd über Elizabeth und Margaret lachen, sie niedlich statt beeindruckend finden? Ich habe für die Institution Adel und das System der Monarchie wahrlich nichts übrig, aber dennoch: Wir reden hier von Königin von England, verdammt noch mal! Und selbst wenn nicht: Wie spannend wäre ein ehrlicher und aufrichtiger Blick in das Leben einer jungen Frau, die sich auf die Herrschaft über ein ganzes Land vorbereitet. Aber dann: Wer will schon etwas über mächtige Frauen erfahren?! Schlimm genug, dass es sie gibt…

Kinostart: 1. Oktober 2015

Sophie Charlotte Rieger
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